Voraussetzungen für gute Vereinbarkeit

In der Süddeutschen Zeitung fand sich kürzlich ein Kommentar, in dem es hieß, dass noch nie in der Geschichte die Voraussetzungen so gut waren, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, wie heute. Dafür wurden mehrere Gründe genannt, die ich zum Anlass nehme, die Punkte zu benennen, die zu einer guten Vereinbarkeit beitragen.

  1. Gesellschaftlicher Wandel: In der Bevölkerung, das zeigen repräsentative Befragungen, gibt es einen breiten Konsens, wonach Familie und Beruf realisiert werden sollen. Dieser Konsens gibt den Familien heutzutage Rückenwind. Das traditionelle Einverdienermodell – der Vater ist erwerbstätig, die Mutter Hausfrau und Kinderbetreuung – verliert an Bedeutung. Es ist gesellschaftliche Norm, dass die Mutter erwerbstätig ist und auch kleine Kinder in eine Betreuungseinrichtung gehen.
  2. Trend zur Partnerschaftlichkeit: Kinderbetreuung und Erziehung sind keine alleinigen Zuständigkeiten der Mütter – so sieht es eine große Mehrheit der heutigen und kommenden Eltern. Das bedeutet auch, dass Väter und Mütter sich die Aufgaben in Beruf und Familie teilen wollen und können. Die Vereinbarkeit gelingt besser, wenn die familiären Aufgaben von Müttern und Vätern gemeinsam wahrgenommen werden.
  3. Finanzielle Unterstützung: Das Elterngeld schafft im ersten Jahr nach der Geburt einen finanziellen Schonraum. Mit dem neuen Elterngeld-Plus kann dieser Schonraum deutlich verlängert werden; er bietet Eltern die Möglichkeit, auzuprobieren, wie Vereinbarkeit gelingen kann.
  4. Kinderbetreuungsangebote: Die Plätze für kleine Kinder in Kindertageseinrichtungen und in der Tagespflege wurden in den letzten Jahren massiv ausgebaut. Es gibt einen Rechtsanspruch für die Betreuung von Kindern, die jünger sind als drei Jahre.
  5. Aktive Großeltern: Die Eltern der Mütter und Väter von kleinen Kindern sind gesünder und aktiver als alle Generationen zuvor. Das Verhältnis zwischen den Generationen ist positiv und eng. Großeltern übernehmen heutzutage häufig und gerne zumindest eine zeitweise Betreuung ihrer Enkel.
  6. Fachkräftemangel: Im Wettbewerb um gut ausgebildete und/oder studierte Fachkräfte kommen Unternehmen in Deutschland nicht mehr um das Thema Familienfreundlichkeit herum. Maßnahmen einer familienfreundlichen Personalpolitik werden von (potenziellen) Müttern und Vätern schon im Bewerbungsgespräch angesprochen. Familienfreundlichkeit ist ein Attraktivitätsfaktor, mit dem Unternehmen auf den Arbeitsmärkten mitunter besser punkten können, als mit einem hohen Gehalt oder Dienstwagen.
  7. Digitalisierung: Homeoffice und Mobiles Arbeiten gewinnen im Zuge der Digitalisierung an Bedeutung. In vielen Berufen ist es unerheblich, ob die Arbeit am heimischen Schreibtisch oder in der Firma geleistet wird. Somit schafft die Digitalisierung mehr Flexibilität und bringt, gerade beim Wegfall von Pendelzeiten, mehr Zeit für Familie mit sich.

Diese sieben Punkte zeigen, dass heutzutage die Ausgangsbedingungen für eine gelingende Vereinbarkeit gut sind. Doch von dauerhaft verlässlichen Rahmenbedingungen sind die Familien noch ein gutes Stück entfernt.

Zudem sollen die Punkte keinesfalls darüber hinwegtäuschen, dass Familien sich die Vereinbarkeitsfrage jeden Tag aufs Neue stellen müssen. Sie müssen sich beispielsweise mit restriktiven Schließzeiten der Kita, unzureichender Schulkindbetreuung und familienunfreundlichen Arbeitgebern und Kollegen auseinander setzen. Auch wenn dies das Organisationsgeschick der Mütter und Väter fördert und sie stressresistenter macht: die tägliche Vereinbarkeitsfrage kostet die Familien viel Kraft.

Hürden für mehr Väter in Elternzeit

Nach aktuellen Zahlen nimmt ein gutes Drittel der Väter Elternzeit – und zwar überwiegend zwei Monate. Das führt oftmals zu der reflexartigen Antwort, dass es sich die Familien finanziell nicht leisten könnten, dass Väter für eine Familienzeit aus dem Beruf ausscheiden. Tatsächlich gibt es aber mehrere Hürden, die häufigere und längere Elternzeiten von Vätern behindern:

  1. Innerfamiliäre Hürden sind traditionelle Familienleitbilder aber auch eine abwehrende Haltung der Mütter zum väterlichen Engagement.
  2. Betriebliche Hürden umfassen z.B. Erwartungen an eine permanente Präsenz der männlichen Mitarbeiter, fehlende Vorbilder und mangelnde Unterstützung von Vorgesetzten und Kollegen.
  3. Finanzielle Hürden bestehen schließlich darin, dass Väter überwiegend die Haupternährer sind und ihre Partnerinnen schlechtere Berufs- und Einkommensaussichten haben.

Aus repräsentativen Befragungen ist bekannt: Mütter würden gerne viel häufiger als bisher in vollzeitnaher Teilzeit arbeiten. Wenn sie diese Arbeitszeiten realisieren könnten, würden sie selbst stärker zum Familieneinkommen beitragen und so eine Bedingung für häufigere und längere Elternzeiten der Väter schaffen.

Eine Idee für Eltern und Kinder mit Migrationshintergrund

Der Besuch einer Betreuungseinrichtung hat unmittelbar positive Effekte auf das Wohlergehen von Kindern, was ihnen später wiederum den schulischen und beruflichen Bildungsweg erleichtert. Dies gilt insbesondere für Kinder mit Migrationshintergrund. Neben dem Spracherwerb ermöglichen Kitas Begegnungen von einheimischen und geflüchteten Familien und damit individuelle Zugangswege in unsere Gesellschaft. Deshalb verdient der weitere Ausbau der Betreuungsangebote und -qualität hohe politische Priorität.

Damit Flüchtlinge von den Betreuungsangeboten profitieren, können kommunale Familienmanager zielgruppengerecht informieren, Vorbehalte der Eltern abbauen sowie aufsuchend unterstützen. Hinderliche Elternbeiträge sollten abgeschafft und die Einführung eines verpflichtenden Vorschuljahres erwogen werden.Denn Kitas bieten nicht nur Betreuung, sondern auch vorschulische Bildung.

Außerdem erleichtert Kinderbetreuung in räumlicher Nähe und zeitlich parallel zu Sprach- und Integrationskursen die Teilnahme der Mütter. Hier kann zivilgesellschaftliches Engagement eingebunden
werden. Mit den Lokalen Bündnissen für Familie existieren in zahlreichen
Kommunen bereits geeignete Strukturen, die dafür eine Plattform bilden können.

Dieser Beitrag von mir ist im aktuellen Trendletter „Zuwanderung und Teilhabe: Vom Krisenmodus zur Strategie“ der Prognos AG erschienen.

Vereinbarkeit mit Schulkindern auf Agenda setzen

Eine IW-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass in Deutschland Ganztagsangebote nur für rund ein Drittel der Grundschüler bestehen. Dabei variiert das Angebot schon zwischen den Flächenländern deutlich: in Bayern sind 9 Prozent der Schüler in Ganztagsbetreuung  an Grunschulen, in NRW 41 und in Sachsen 85 Prozent.  Mit diesen Ergebnissen zeigt sich die nächste familienpolitiche Baustelle: Damit Vereinbarkeit von Familie und Beruf wirklich gelingt, wird ein durchgängiges Betreuungsangebot – für U3-Kinder, Ü3-Kinder und Schulkinder – benötigt. 

Aus Sicht der Bundespolitik stellt ein Ausbau der Schulkindbetreuung eine Herausforderung dar: Zum einen gibt es mit den Ganztagsschulen und Horten ein Nebeneinander von Betreuungsangeboten und Bundesländer setzen auf die eine oder andere Form. Und: Die Bundesländer reklamieren für sich, für den Schulbereich zuständig zu sein. Das macht eine bundeseinheitliche Regelung oder gar die Durchsetzung eines Rechtsanspruchs für Schulkindbetreuung schwierig. 

Meines Erachtens darf diese Herausforderung nicht bedeuten, dass die Politik sich nicht für eine bessere Vereinbarkeit mit Schulkinder einsetzt. Vielmehr sollte die familienpolitische Erfolgsgeschichte „Betreuungsausbau“ mit dem neuen Kapitel „Schulkindbetreuung“ fortgesetzt werden. In den Hauptrollen sehe ich: Das Bundesfamilienministerium und die Familien- und Schulministerien der Länder.

Väterförderung ist Frauenförderung

In nationalen und intenationalen Medien fand unlängst das Ergebnis, dass Unternehmen, in denen Frauen zum Management gehören, wirtschaftlich besonders erfolgreich sind, großen Widerhall. Dabei gab die zugrundeliegende Studie des renommierten Pertreson Instituts in Washington auch einen Hinweis darauf, wie Frauen in Top-Management-Positionen gelangen: durch Väterföderung!

Auf Basis von internationalen Vergleichen zeigt die Studie, dass in Ländern, in denen Väter Elternzeit nehmen können, der Anteil von Frauen in Führungspositionen höher ist. Dass liegt daran, dass sich Väter – angereizt und im Verhalten gestärkt von Elternzeitregelungen – intensiver um ihre Kinder kümmern und auf diese Weise Karrieren ihrer Partnerinnen unterstützen.

Diese Erkenntnis deckt sich übrigens auch mit der Empfehlung von Sheryl Sandberg, die in ihrem Buch „Lean In“ Frauen, die Karriere machen wollen, rät: „Make your partner a real partner.“

Meines Erachtens bedeutet das für die Gleichstellungspolitik, dass sie intensiver als bisher bei den Vätern ansetzen sollte. Werden ihnen Möglichkeiten eingeräumt, sich familiär stärker zu engagieren und im Beruf zu reduzieren, eröffnet dies Müttern bessere Karrierechancen. Väterförderung fördert Frauenkarrieren.

Homeoffice: noch viel Luft nach oben

Eine neue Studie des DIW hat sich der Heimarbeit gewidmet. Die zentralen Zahlen aus der Untersuchung:

  1. In Deutschland arbeiten 12 Prozent der abhängig Beschäftigten zumindest gelegentlich von zu Hause aus.
  2. Zumindest Teile ihrer Berufstätigkeit könnten 42 Prozent aller abhängig Beschäftigten im Homeoffice wahrnehmen.
  3. Der Anteil der gelegentlich oder überwiegen von zu Hause aus tätigen Beschäftigten könnte auf 30 Prozent steigen.

Es besteht bei der Arbeit von zu Hause aus also viel Luft nach oben. Damit tatsächlich fast jeder dritte abhängig Beschäftigte gelegentlich oder gar überwiegend im Homeoffice arbeiten kann, erscheint ein Umdenken der Führungskräfte erforderlich zu sein.

Ich bin sicher, dass die Möglichkeiten der Digitalisierung auch von den Dinosaurieren unter den Führungskräften nicht ignoriert werden können. Die Anwesenheitskultur wird ihren Platz im Archiv der Industrialisierung finden.

Familien sind die „Geforderte Generation“

In Deutschland leben rund 13 Millionen Mütter und Väter mit minderjährigen Kindern. Sie betreuen und erziehen ihren Nachwuchs und stellen knapp einen Großteil aller Erwerbstätigen. Mehr als alle anderen Bevölkerungsteile haben diese Eltern das Gefühl, nicht ausreichend Zeit zu haben. Der Spagat zwischen Beruf und Familie und die Konkurrenz der beiden Lebensbereiche um jede einzelne Stunde machen die Familien zur Geforderten Generation.

Ihr hat sich eine Tagung gewidmet, deren Ergebnisse hier abrufbar sind: Tagung

Trend: Im dritten Jahr in Folge steigt die Geburtenziffer

Die Geburtenziffer gilt als ein scheues Reh: Zu stark sind i.d.R. die Ausschläge zwischen den Messzeitpunkten, schwierig ihre Vorhersagbarkeit und Interpretation.

Dass die zusammengefasste Geburtenziffer des Jahres 2014 in Deutschland nun zum dritten Jahr in Folge auf mittlerweile 1,47 Kinder je Frau angestiegen ist, kann daher als sich stabilisierender Trend gedeutet werden. Sie hat damit den höchsten Wert seit der Deutschen Wiedervereinigung erreicht. Das Statistische Bundesamt erläutert Details: Im Jahr 2014 wurden in Deutschland 715 000 Kinder geboren. Das waren 33 000 oder 4,8 % mehr als im Jahr 2013.

Lesen Sie dazu auch: Aufgaben der Familienpolitik.