In der Süddeutschen Zeitung fand sich kürzlich ein Kommentar, in dem es hieß, dass noch nie in der Geschichte die Voraussetzungen so gut waren, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, wie heute. Dafür wurden mehrere Gründe genannt, die ich zum Anlass nehme, die Punkte zu benennen, die zu einer guten Vereinbarkeit beitragen.
- Gesellschaftlicher Wandel: In der Bevölkerung, das zeigen repräsentative Befragungen, gibt es einen breiten Konsens, wonach Familie und Beruf realisiert werden sollen. Dieser Konsens gibt den Familien heutzutage Rückenwind. Das traditionelle Einverdienermodell – der Vater ist erwerbstätig, die Mutter Hausfrau und Kinderbetreuung – verliert an Bedeutung. Es ist gesellschaftliche Norm, dass die Mutter erwerbstätig ist und auch kleine Kinder in eine Betreuungseinrichtung gehen.
- Trend zur Partnerschaftlichkeit: Kinderbetreuung und Erziehung sind keine alleinigen Zuständigkeiten der Mütter – so sieht es eine große Mehrheit der heutigen und kommenden Eltern. Das bedeutet auch, dass Väter und Mütter sich die Aufgaben in Beruf und Familie teilen wollen und können. Die Vereinbarkeit gelingt besser, wenn die familiären Aufgaben von Müttern und Vätern gemeinsam wahrgenommen werden.
- Finanzielle Unterstützung: Das Elterngeld schafft im ersten Jahr nach der Geburt einen finanziellen Schonraum. Mit dem neuen Elterngeld-Plus kann dieser Schonraum deutlich verlängert werden; er bietet Eltern die Möglichkeit, auzuprobieren, wie Vereinbarkeit gelingen kann.
- Kinderbetreuungsangebote: Die Plätze für kleine Kinder in Kindertageseinrichtungen und in der Tagespflege wurden in den letzten Jahren massiv ausgebaut. Es gibt einen Rechtsanspruch für die Betreuung von Kindern, die jünger sind als drei Jahre.
- Aktive Großeltern: Die Eltern der Mütter und Väter von kleinen Kindern sind gesünder und aktiver als alle Generationen zuvor. Das Verhältnis zwischen den Generationen ist positiv und eng. Großeltern übernehmen heutzutage häufig und gerne zumindest eine zeitweise Betreuung ihrer Enkel.
- Fachkräftemangel: Im Wettbewerb um gut ausgebildete und/oder studierte Fachkräfte kommen Unternehmen in Deutschland nicht mehr um das Thema Familienfreundlichkeit herum. Maßnahmen einer familienfreundlichen Personalpolitik werden von (potenziellen) Müttern und Vätern schon im Bewerbungsgespräch angesprochen. Familienfreundlichkeit ist ein Attraktivitätsfaktor, mit dem Unternehmen auf den Arbeitsmärkten mitunter besser punkten können, als mit einem hohen Gehalt oder Dienstwagen.
- Digitalisierung: Homeoffice und Mobiles Arbeiten gewinnen im Zuge der Digitalisierung an Bedeutung. In vielen Berufen ist es unerheblich, ob die Arbeit am heimischen Schreibtisch oder in der Firma geleistet wird. Somit schafft die Digitalisierung mehr Flexibilität und bringt, gerade beim Wegfall von Pendelzeiten, mehr Zeit für Familie mit sich.
Diese sieben Punkte zeigen, dass heutzutage die Ausgangsbedingungen für eine gelingende Vereinbarkeit gut sind. Doch von dauerhaft verlässlichen Rahmenbedingungen sind die Familien noch ein gutes Stück entfernt.
Zudem sollen die Punkte keinesfalls darüber hinwegtäuschen, dass Familien sich die Vereinbarkeitsfrage jeden Tag aufs Neue stellen müssen. Sie müssen sich beispielsweise mit restriktiven Schließzeiten der Kita, unzureichender Schulkindbetreuung und familienunfreundlichen Arbeitgebern und Kollegen auseinander setzen. Auch wenn dies das Organisationsgeschick der Mütter und Väter fördert und sie stressresistenter macht: die tägliche Vereinbarkeitsfrage kostet die Familien viel Kraft.